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The truth is a virus
Heute sollte die Bundesregierung sich vielleicht die Zeit nehmen, einen Blick auf eine mögliche neue Pandemie zu werfen: Wegen der Ausbreitung des Mpox-Virus, früher bekannt als »Affenpocken«, hat die Weltgesundheitsorganisation eine weltweite Notlage ausgerufen. Der WHO zufolge wurden allein im Juni 2024 fast 1000 im Labor bestätigte Fälle und vier Todesfälle gemeldet, die auf das Virus zurückgehen. Die Fälle kommen demnach aus 26 Ländern. Aus Europa wurden 100 Fälle gemeldet, allerdings keiner davon in Deutschland.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wirkt auch nicht sonderlich nervös beim Stichwort Mpox. »Die sich jetzt in Afrika verbreitende Variante stellt für Deutschland bisher nur eine geringe Gefahr dar«, schrieb Lauterbach auf Anfrage, »da sie nicht so ansteckend ist wie etwa das Coronavirus.« Typischerweise stecke man sich über Körperkontakte an; Reisende in den betroffenen Gebieten sollten Risikoverhalten vermeiden. »Trotzdem zeigt sich erneut, dass das Risiko für Endemien und Pandemien zu steigen beginnt.«
Vielleicht fehlt der Ampel heute ohnehin die Zeit für neue Seuchen, weil doch die Einigung auf den Bundeshaushalt 2025 endlich kommen sollte. Wenn die da ist, sollte das Land die wenigen Tage genießen, bis der parlamentarische Betrieb wieder beginnt und die Abgeordneten alles wieder aufschnüren.
Die ganze Geschichte lesen Sie hier: Was bedeutet die Mpox-Notlage?
Wie ein paar alte Turnschuhe
Typische Leserinnen und Leser des SPIEGEL, so wie ich sie mir vorstelle, sind echte Politik-Junkies, greifen nach dem Aufwachen sofort zum Handy, um zu erfahren, wie sich über Nacht der Haushaltsstreit, die Mpox-Welle oder der Frontverlauf in der Kursk-Region entwickelt haben. Trotzdem habe ich so eine Ahnung, dass der meistgelesene Text auf unserer Seite heute ein unpolitischer werden könnte: ein exklusives Gespräch mit Cora Schumacher, der Ex-Frau von Ralf Schumacher.
Als der ehemalige Formel-1-Star vor ein paar Wochen seine Beziehung zu einem Mann publik machte, bekam er viel Zuspruch, vor allem in den sozialen Medien. Doch Cora, mit der Schumacher einen Sohn hat, konnte sich offenbar weniger über das Statement freuen. Sie habe sich überrumpelt gefühlt, sagte Schumacher meinen Kollegen Marc Hujer und Juliane Löffler. »Ich wünschte, Ralf hätte mich einbezogen oder wenigstens eingeweiht.«
Ralf Schumacher lässt über seine Rechtsanwälte ausrichten, es sei unzutreffend, dass Cora erst durch das öffentliche Coming-out von seiner Liaison mit dem Franzosen Etienne Bousquet-Cassagne erfahren habe.
Im Gespräch mit Schumacher erlebten unsere Kollegen eine traurige Frau, die auf eine bittere Bilanz ihrer Lebensphase an der Seite des Formel-1-Fahrers zurückblickt. Während ihr Mann von Rennen zu Rennen fuhr, habe sie allein zu Hause gesessen. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes habe sie sich gefühlt wie ein altes Paar Turnschuhe, das in die Ecke gestellt wurde. »Ich fühlte mich einsam und sehnte mich nach mehr Nähe und Zuwendung.«
Mehr zum Coming-out von Ralf Schumacher: Hinter den Kulissen wussten viele Bescheid
Sechs Jahre aufräumen
In Grafenrheinfeld fliegt heute ein Kernkraftwerk in die Luft. Natürlich ein stillgelegtes, und davon auch nur die Kühltürme, die höchst kontrolliert gesprengt werden – wenn das Wetter mitspielt. Das AKW Grafenrheinfeld, 1982 in Betrieb genommen, ist schon seit dem 27. Juni 2015 nicht mehr am Netz. Dass der Rückbau seit 2018 läuft, zeigt, wie komplex diese Aufräumarbeit ist.
Meine Kollegin Susanne Götze erinnerte mich daran, dass in Deutschland seit dem Atomausstieg rund 30 Reaktoren rückgebaut werden müssen. Susanne hat kürzlich eine Expertin beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) interviewt, die berichtete, man habe noch nie so viele Atomkraftwerke gleichzeitig abgebaut. Die Sprengung der Kühltürme in Grafenrheinfeld, die zweite ihrer Art in Deutschland, sieht zwar spektakulär aus. Sie ist aber nach Ansicht der Expertin technisch das geringste Problem. In vielen AKW gebe es versteckte Kontaminationen, an die man schwer herankommt. Viele Kraftwerke sind nicht dafür gebaut worden, um sie auf einfache Art und Weise zurückzubauen.
Wie lange es dauert, in Grafenrheinfeld die radioaktiven Bauteile zu entsorgen, ist noch vollkommen offen. Ungeklärt ist auch weiterhin, wann der mittel- und hochradioaktive Atommüll aller AKW in ein Endlager kommt. Allein die Standortsuche könnte bis zum Jahr 2074 dauern. Dann kommen noch der Bau und Einlagerung hinzu – bis Ende des 21. Jahrhunderts dürfte Deutschland also noch mit dem strahlenden Erbe des Atomzeitalters zu tun haben.
Mehr Hintergründe zum Reaktorrückbau hier: »Es gibt versteckte Kontaminationen, Stellen, an die man nicht rankommt«
Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz
Ein Gewinner des Tages…
…wird heute in Berlin gekürt, wo die Deutsche Meisterschaft der Floristik stattfindet. Die neun besten Floristinnen und Floristen aus ganz Deutschland werden im Bikini-Kaufhaus gegeneinander antreten, und zwar in verschiedenen Disziplinen. Das diesjährige Motto der Meisterschaft heißt Frieden.
So müssen die Finalisten etwa ein »gebundenes Werkstück« zum Thema »Versöhnungsgebet von Coventry« mitbringen, in Gedenken an die britische Stadt, die im zweiten Weltkrieg von deutschen Bombern zerstört wurde. Eine andere Aufgabe verlangt einen floralen Bar- oder Tischschmuck unter dem Titel »Multikulturelles Come-together«. Vielleicht kann der oder die Siegerin dann gleich noch der Ampel einen schönen Friedenskranz winden.
Die jüngsten Meldungen aus der Nacht
Wissing will nun doch kein Gewichtslimit für Fahrradanhänger: FDP-Minister Volker Wissing wollte das Gewicht von Fahrradanhängern beschränken. Der öffentliche Protest war laut – und erfolgreich: Nach Recherchen des SPIEGEL ist die geplante Verschärfungen nun vom Tisch.
USA setzen deutlich niedrigere Medikamentenpreise fest: Joe Biden und Kamala Harris verkünden eine historische Preissenkung bei Medikamenten – die auch Medicare-Versicherte entlasten soll. Ein großer Pharmakonzern warnt vor verheerenden Folgen für Patienten.
Ed Sheeran kauft sich bei Lieblingsverein ein – und schwoft neben Taylor Swift: Es war ein bewegter Donnerstag für Ed Sheeran: Erst erfüllte er sich einen sportlichen Traum und erwarb Anteile am Fußballklub Ipswich. Abends ging es dann zur Arbeit: mit Taylor Swift im Wembley-Stadion.
Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:
Wo die neue Bezahlkarte für Geflüchtete wirkt – und wo nicht: Anfang des Jahres haben sich Bund und Länder darauf geeinigt, die Bezahlkarte für Geflüchtete bundesweit einzuführen. Damit kann in vielen Geschäften eingekauft werden, aber kein Geld ins Ausland überwiesen werden. In Bayern, Thüringen und Hamburg wurde die Karte bereits eingeführt. Einige Klagen gegen die konkrete Ausgestaltung hatten in Eilverfahren Erfolg. Wie erleben betroffene Flüchtlinge die Situation? Was sagen Flüchtlingsinitiativen? Fabian Hillebrand, Katherine Rydlink, Pia Schreiber und Jean-Pierre Ziegler haben mit ihnen gesprochen, aber auch mit Verfechtern des neuen Systems aus Ländern und Landkreisen: Ist die Bezahlkarte sinnvoll?
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Weltgesundheitsorganisation habe »gestern« eine weltweite Notlage ausgerufen. Tatsächlich ist dies bereits am Mittwochabend, also vorgestern, geschehen. Wir haben die Stelle korrigiert.